Stipendiaten

Trotz gesetzlicher Schulpflicht gehen viele Kinder in Belo – wie in ganz Madagaskar – nicht oder nur sporadisch zur Schule oder brechen sie vorzeitig ab. Viele Eltern kümmern sich nicht um den Schulbesuch, viele Kinder werden, statt in die Schule zu gehen, mit häuslichen Pflichten in Beschlag genommen, andere können sich die mit dem Schulbesuch verbundenen Nebenkosten für Schulsachen nicht leisten. Der Verein hat deshalb vor einigen Jahren begonnen, Paten zu suchen, die einzelnen Schulkindern und deren Familien in Belo finanzielle Unterstützung beim Schulbesuch geben.

Die Förderung beginnt in der Grundschule und endet in der Regel mit dem erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe I. Nur in Ausnahmefällen – wenn für die Jugendlichen positive Prognosen und realistische Chancen bezüglich einer anschließenden Berufsausbildung oder eines Studiums vorhanden sind – kann die Förderung bis zum Abitur verlängert werden. Das allgemeinbildende madagassische Schulsystem besteht aus einer 5jährigen Grundschule – école élémentaire – mit einer Abschlussprüfung zum CEPE – Certificat d’Etudes Primaire Elémentaires. Das CEPE berechtigt zum Eintritt in die 4jährige Sekundarstufe I - collège - mit Abschlussprüfung zum BEPC – Brevet d’Etudes du Premier Cycle. Daran an schließt das lycée mit dem Abitur BACC – Baccalauréat – als Abschluss.

Die Auswahl der Stipendiaten erfolgt in den beiden letzten Jahrgangsstufen unserer Partner-grundschule Bemarivokely, einer öffentlichen Grundschule in Belo mit über 1000 Kindern und 30 Lehrkräften. Wenn ein Stipendium abgelaufen ist, oder wenn ein neuer Stipendiengeber gewonnen werden konnte, benennen die Lehrkräfte der Schule in Absprache mit unserem madagassischen Projektleiter Adolphe in Belo Kandidaten für die Nachfolge bzw. Anwärter für das  neue Stipendium. In den letzten Jahren waren Mitglieder unseres Vereins immer wieder vor Ort in Belo und haben zusammen mit unserem madagassischen Projektleiter Adolphe Randriamampandry und mit unseren Praktikantinnen aus Deutschland – so gerade vorhanden – über die Auswahl entschieden. Wenn Adolphe in der Zwischenzeit alleine über eine vorläufige Vergabe eines Stipendiums entscheiden musste, wurde diese Entscheidung überprüft. Hauptkriterien für die Auswahl sind eine prekäre familiäre und soziale Situation des Kindes und seine erkennbare Bereitschaft, eine mit dem Stipendium verbundene Eigenverantwortung für eine erfolgreiche Schullaufbahn zu übernehmen.

Die Stipendien (30 Euro/Monat) werden nur zum kleineren Teil in bar an die Stipendiaten oder ihre Eltern oder sonstigen Betreuungspersonen ausbezahlt. Der größere Teil wird in Form von Sachzuwendungen und Betreuungs- und Fördermaßnahmen aufgebracht. Die Stipendiaten erhalten alle erforderlichen Schul- und Unterrichtsmaterialien. Sie werden mit den nötigen Bekleidungsstücken ausgestattet. Und sie erhalten eine medizinische Versorgung durch eine mit uns kooperierende Ärztin und die dabei erforderlichen Medikamente – ein angesichts von Mangelernährung und schlechten hygienischen Verhältnissen nicht unerheblicher Aufwand. Die Stipendiaten werden bei der Erledigung ihrer Schularbeiten in unserer Bibliothek unterstützt. Dort finden auch unterrichtsergänzende Kurse in Französisch statt, die Teilnahme daran ist Pflicht. Daneben gibt es immer wieder auch freiwillige nachschulische Angebote: Malwettbewerbe, Matten flechten, traditionelles Frisieren usw.
Bestandteil des Förderkonzepts sind auch pädagogische Exkursionen in Kleingruppen nach Morondava, der Hauptstadt der Region Menabe, oder sogar in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo. Zu den Aufgaben unseres Projektleiters Adolphe gehört auch eine sozialpädagogische Krisenintervention bei den häufig auftretenden Konflikten mit oder in den (Gast-) Familien der Stipendiaten.

Nach der Grundschule verteilen sich unsere Stipendiaten auf  oft sehr unterschiedliche weiterführende Schulen in Belo. Die Gruppe ist also nicht nur in Bezug auf das Alter (8 bis 16 Jahre) sondern auch, was ihre Schulen und Lehrkräfte angeht, sehr heterogen. Zu unserem Förderkonzept gehört aber nicht nur eine individuelle personenbezogene (isolierte) Unterstützung, wie sie die großen Patenschaftsorganisationen anbieten. Wir fördern unsere Stipendiaten auch im Rahmen einer altersübergreifenden, schul- und schulartübergreifenden Projektgruppe.

Wir teilen allen Stipendiengebern eine Stipendiatin oder einen Stipendiaten zu und informieren sie regelmäßig über die Entwicklung ihres Schützlings. Es gibt Stipendiengeber, die an einem intensiven persönlichen Austausch mit ihrem Stipendiaten interessiert sind. Es gibt aber auch Stipendiengeber, die relativ unabhängig von einer persönlichen Beziehung mit ihrem Stipendium einfach unsere Projektgruppe fördern wollen. Beides ist legitim.
Aktueller Stand Oktober 2015:
Fast alle unserer Stipendiaten haben in 2015 ihr Klassenziel erreicht. Ein Mädchen ist während des Schuljahrs aus Belo weggezogen und ein Stipendiat hat nicht bestanden. Wir werden ihn dennoch weiter fördern, weil sich im Interview mit ihm herausgestellt hat, dass das Scheitern damit zusammenhing, dass er sehr häufig in der Schule fehlte, weil er von seinem Stiefvater genötigt war, ständig auf dem Feld mitzuarbeiten und dabei auch immer wieder krank wurde. Dieses Problem ist mittlerweile beseitigt, und er ist eigentlich auch ein guter Schüler. Die Gruppe besteht jetzt aus 33 Kindern und Jugendlichen, 13 sind Schüler der Grundschule Bemarivokely, 15 besuchen ein Collège (Sekundarschule) und 4 das Lycée (gymnasiale Oberstufe). Ein Kind einer verstorbenen Lehrerin bekommt schon vor dem Schulbesuchsalter ein Stipendium unseres Vereins.

Tasia 4. Klasse
Tasia 4. Klasse

Tsilavina 5. Klasse
Tsilavina 5. Klasse

Fahedrena 6. Klasse
Fahendrena 6. Klasse

Edithe 9. Klasse
Edithe 9. Klasse

Alexine 12. Klasse
Alexine 12. Klasse

Bei den regelmäßigen Interviews mit den Stipendiaten fragen wir immer auch nach bei ihnen bereits vorhandenen Berufswünschen. Auch wenn die Befragten in der Regel noch keine detaillierten Vorstellungen über einen konkret anzustrebenden Beruf machen und ohne es statistisch belegen zu können, fällt doch auf, dass sich die Berufsvorstellungen im Wesentlichen auf drei Bereiche beschränken. Mit Abstand an erster Stelle steht der Bereich Medizin – Arzt, Hebamme, Krankenschwester. Danach kommt der Sektor Polizei, Gendarmerie, Militär – übrigens auch bei Mädchen. Abgeschlagen als dritter Bereich die Schule (Lehrer). Ganz selten gibt es daneben bereits konkrete Alternativen (Reiseführer, Sekretär in der Verwaltung). Nur in diesen genannten Bereichen glaubt man, seine Schulbildung sinnvoll verwerten zu können. Für die für die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen insbesondere in den ländlichen Regionen Madagaskars realistisch infrage kommenden Berufstätigkeiten – etwa als Bauer, Markthändler oder Handwerker – scheint ein Schulabschluss überflüssig bzw. eine Vergeudung zu sein.

Berufswünsche:

Deline
Deline Ärztin

Helezy
Helezy Hebamme

Estel
Estel Polizist

Ronernaldo
Ronernaldo Lehrer

Marie-Louise
Marie Louise Reiseführerin

Schulabschlüsse ehemaliger Stipendiaten:
Im Moment sind 33 Kinder und Jugendliche in unserem Stipendienprogramm. Vor diesen haben insgesamt 50 andere das Programm durchlaufen. Eine Aufstellung der von diesen erreichten Schulabschlüsse erbrachte folgendes Ergebnis: 12 ehemalige Stipendiaten haben ihre Schulzeit mit dem Abitur abgeschlossen, 14 mit dem mittleren Abschluss (BEPC) und die meisten anderen mit dem Grundschulabschluss (CEPE). Nur einige wenige sind bereits während der Grundschule ohne Abschluss aus unserem Programm ausgeschieden – in der Regel aus privaten und familiären Gründen (Wegzug, Veränderung der Familienkonstellation, Verweigerung des Schulbesuchs durch Eltern oder andere Erziehungsberechtigte). In einigen Fällen wurden aber auch nach Ausscheiden aus unserem Programm weitere Schulabschlüsse nachgeholt. Dies konnten wir aber nicht mehr vollständig rekonstruieren.